
Ein Plan aus purer Naivität
Ich war 30 Jahre alt. Geboren und aufgewachsen in Teheran (Hauptstadt vom Iran), voller Ehrgeiz, schon seit meiner Kindheit. Ich wollte ein Sportidol werden, Michael Jordan, Rocky Balboa, egal. Ich wollte einfach außergewöhnlich sein. Woher dieser Traum kam? Keine Ahnung. Aber wie so oft in meinem Leben habe ich, naiv vielleicht, aber entschlossen, daran geglaubt, dass es möglich ist. Und ich habe alles gegeben.

die zweite Person von links (sitzend)
Es hat nicht geklappt. Aber der Weg war voller wertvoller Erfahrungen. Ich war immer aktiv, immer mit Menschen in Kontakt, und habe ein starkes Selbstvertrauen entwickelt.Mit 18 hörte ich den Satz: „Wenn du nicht studierst, bist du kein richtiger Mann.“ Ob das stimmt? Keine Ahnung. Aber wie immer habe ich mein Bestes gegeben. Zwei Jahre lang habe ich gelernt und schließlich die Zulassung für Wirtschaftsingenieurwesen an der Azad-Universität Teheran-Süd bekommen, in einem Land, in dem 1,5 Millionen junge Menschen am Konkoor (dem iranischen Abitur) teilnehmen. Ich bin ein Kind der 60er (nach iranischer Zeitrechnung) – ein sogenannter Babyboomer.Ich war kein Musterschüler, sondern ein junger Mann, der das Leben genießen wollte. Freunde, Partys, Gespräche, so waren wir damals alle drauf. Das Leben war günstiger, einfacher, freier. Ich habe es in vollen Zügen genossen.Nach dem Studium begann ich als Projektcontroller in Ardakan, mitten in der Wüste.

Eine kleine Stadt, ohne Freunde, ohne Ablenkung. Ich war zu sensibel für die harte Welt der Fabrikarbeit. Ich wollte zurück nach Teheran, und habe es geschafft. Sechs Monate arbeitete ich dort im Büro, allerdings ohne Gehalt. Die wirtschaftliche Lage verschlechterte sich rapide. Der Iran stand vor einer Krise, und ich entschied mich zu gehen.Am 29. Oktober 2012 kam ich in Deutschland an. Alles war neu, alles war spannend. Ich sah nur das Positive. Alles roch gut. Ich fühlte mich willkommen.Wie im Iran suchte ich die Nähe zu Menschen. Ich sprach Fremde an, war neugierig, offen. Wenn ich abgewiesen wurde, nahm ich es nicht persönlich, ich wusste es einfach nicht besser. Ich dachte: Alles ist hier toll – ich muss nur so sprechen wie die Menschen hier. Die Sprache war für mich der Schlüssel. Also entschied ich mich: Ich will Deutsch lernen, richtig lernen. Und ich will es unterrichten. Denn das bringt mich mit Menschen in Kontakt und fordert mich jeden Tag aufs Neue. 2015 schrieb ich mich an der Universität Konstanz ein. Ich schaffte mein C1-Zertifikat in 18 Monaten, und war sogar sprachlich schon darüber hinaus. Ich übertreibe oft, aber ich gebe auch immer alles. Jeden Tag war ich neugierig auf eines: Wie sprechen Muttersprachler eigentlich?Ich lebte in WGs mit Deutschen, umgab mich nur mit Deutschsprechenden. Ich hatte keinen Kontakt zu anderen Sprachen. Ich war voll drin. Trotzdem war die Universität eine Herausforderung: wissenschaftliche Texte lesen und schreiben, Präsentationen halten, Gruppenarbeiten meistern. Doch ich blieb dran. 2018 schrieb ich meine Bachelorarbeit, begann parallel meine Zusatzqualifikation in „Deutsch als Fremdsprache“.

Ich blieb an der Uni, machte meinen Master in Speech and Language Processing und schloss meine Ausbildung ab.

2020 begann ich zu unterrichten, an der VHS (Volkshochschule). Sie wurde mein zweites Zuhause. Ich hatte Kontakte, ging einfach vorbei und sagte: „Ich habe alles, was man braucht, jetzt will ich bei euch arbeiten.“ Ich bekam sofort meinen ersten Kurs. Seitdem lehre ich täglich, und lerne dabei ebenso viel. Auch durch meine Instagram-Aktivität seit 2021. Jedes Video, das ich veröffentliche, ist eine neue Herausforderung, und zeigt mir, wo ich selbst noch besser werden kann. Denn es stimmt: Man lernt nie aus.

Zahlreiche Fortbildungen, meine Tätigkeit als Dolmetscher, meine ständige Selbstreflexion, all das erweitert mein Sprachwissen bis heute. Ich weiß mittlerweile: Wer eine Sprache nach der Pubertät lernt, der erreicht vielleicht nie ganz das muttersprachliche Niveau, aber gut, dass ich das damals nicht wusste. Denn genau dieser Weg hat mich zu dem gemacht, was ich heute bin.
Meine Erfahrungen im Iran, besonders durch den Teamsport Basketball, haben meine soziale Kompetenz geprägt. Heute kann ich dadurch empathisch, effektiv und mit Leidenschaft unterrichten. Für mich vergeht eine Unterrichtsstunde wie eine Minute. Ich bin im Flow. Und ich liebe, was ich tue.
